Über das Sehen hinaus - Kleidung und Räume erfassen

Spencer Chisholm, Jordi Ashworth und Paul Darling vor dem Ausstellungsplakat am Veranstaltungszentrum WIP Villette im Pariser Parc de la Villette vor der Ausstellungseröffnung.
Quelle: Hochschule Wismar/Julian Krüger

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Spencer Chisholm, Jordi Ashworth und Paul Darling beim Aufbau der hängenden textilen Wände, die die einzelnen Modeentwürfe an Schaufensterpuppen (im Hintergrund) in der WIP Villette umgeben.
Quelle: Hochschule Wismar/Julian Krüger

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Ausstellungseröffnung im WIP Pariser Parc de la Villette.
Quelle: Hochschule Wismar/Julian Krüger

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Reiner Delgado, vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband ertastet während der Entwurfspräsentation im Sommer 2017 ein Modell einer frühen Idee der textilen Präsentationsvorhänge.
Quelle: Hochschule Wismar/Georg Hundt

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Reiner Delgado, vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband während der Ausstellungspräsentation in Paris.
Quelle: Hochschule Wismar/Julian Krüger

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Einige der Entwürfe, die im Sommer 2017 an der Fakultät Gestaltung präsentiert und diskutiert wurden.
Quelle: Hochschule Wismar/Georg Hundt

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(Paris/Wismar) Als Ende Januar anlässlich der Fashion Week im WIP Villette im größten Park von Paris die Ausstellung „Beyond Seeing“ stattfand, waren auch Wismarer Studenten vor Ort um zu sehen, wie ihre Projektergebnisse auf die Besucher wirken. Auf Initiative des Goethe-Instituts und in enger Zusammenarbeit mit dem Institut Français de la Mode (IFM) in Paris hatten sich Studierende an fünf europäischen Hochschulen mit Mode und Modevermittlung für Sehbehinderte beschäftigt und diese Ausstellung vorbereitet. Im Fokus der Architekturstudenten der Hochschule Wismar – unter Leitung von Prof. Julian Krüger – standen die raumgestalterischen Aspekten für die Projektpräsentation. Die Ausstellung wird auch in Berlin, Brüssel und Stockholm zu sehen sein.

Mode über den visuellen Reiz hinaus erfahrbar machen
Was bedeutet Mode für Menschen, die nicht oder nur eingeschränkt sehen können? Was nehmen sie wahr, was Sehende vielleicht nicht mehr wahrnehmen? Worin besteht für sie der Begriff der Schönheit? Das sind Fragen, auf die das Projekt „Beyond Seeing“ Antworten gefunden hat. Über ein Jahr lang haben die Teilnehmer in mehreren Projektphasen gemeinsam, aber auch in individuellen Workshops in den einzelnen Ländern an innovativen Designansätzen jenseits des Sehsinns gearbeitet.

Fragen zur Raumgestaltung für Blinde und Sehbehinderte
Aber nicht nur bei den Mode-Kreationen selbst ging es um die Haptik von Materialien, die Erfassung von Schnitten und die Wahrnehmung von Kleidung mit mehr Sinnen als dem Sehen. Die Wismarer Architekturstudenten erarbeiteten mit Prof. Julian Krüger die Ausstattung des Präsentationsraums, dem Pariser WIP. Wie wird dem Blinden ermöglicht, den Raum zu erfassen, die richtigen Wege zu gehen, an die ausgestellten Kleidungsstücke heranzutreten und zuvor bereits zu bemerken, worum es im gezeigten Entwurf geht? Zu diesen Fragen, denen die Studierenden nachgingen, stellten sich bald weitere: Wie werden textile Materialien als Wegeleitung von Blinden wie auch von Sehenden wahrgenommen? Welche Rolle spielt Licht und Beleuchtung? Wie möchte ein sehbehinderter Mensch zum Ertasten von Materialien und Schnitt gebeten werden, was ist ihm in diesem Zusammenhang zumutbar?

Annäherung mit tiefgreifenden Erfahrungen
Im ersten Projektsemester machten die Studenten um Prof. Julian Krüger (Studiengang Architektur, Grundlagen des Gestaltens und experimentelles Entwerfen) bereits tiefgreifende persönliche Erfahrungen: Die Wahrnehmung der Umwelt ohne Sehsinn, die Notwendigkeit von Vertrauensaufbau und enger persönlicher Bindung zu Mitmenschen und Umwelt beeindruckte die Projektteilnehmer. Mit Augenmasken und gegenseitiger Führung analysierten sie den Ausstellungsraum in Paris. In Versuchsaufbauten in diversen Workshops in ganz Europa wurde die Wahrnehmung von textilem Material untersucht. Am wichtigsten war aber der ständige Austausch mit Blinden, vor allem mit Reiner Delgado, dem Sozialreferent des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands. Er ist von Geburt an blind und hat das Projekt in Deutschland von Anfang begleitet. Im Sommer 2017 besuchten er und andere Verbandsangehörige die Studenten an der Fakultät Gestaltung der Hochschule Wismar und ertasteten gemeinsam mit sehenden Gästen zahlreiche Ausstellungsentwürfe, Modelle und Versuchsaufbauten. So mussten sich zum Beispiel die Projektteilnehmer mit verbundenen Augen durch einen Raum mit großen warmluftgefüllten Kunststoffballons bewegen und diese "Wolken" erfühlen.

Vom Entwurf zum Ergebnis
Aufbauend auf den neu gewonnenen Erfahrungen, den Gesprächen mit sehbehinderten Teilnehmern und dem Test der Versuchsaufbauten begann im zweiten Projektsemester die konkrete Umsetzung der Entwürfe. Der Ausstellungsraum in Paris wurde geplant, Oberflächen und Materialien getestet und sich dabei mit den Mode- und Produktdesignstudenten der anderen Hochschulen ausgetauscht. Große Viertelbögen, die versetzt einen vertikalen Zylinder um die Ausstellungsstücke ergeben, waren ein Ergebnis der Entwicklungen für den Hauptraum der Ausstellung des WIP Villette. Die stoffbespannten Elemente bilden haptische und akustische Räume, die den Sehbehinderten helfen, die Modeentwürfe zu erfassen. Lücken und Brüche in den Zylindern erlauben das Eintreten in abgeteilte Bereiche. „Die Ausstellung steht für mich unter der Überschrift: ‚Schau mich nicht nur mit deinen Augen an. Ich bin mehr als das, was man sieht’“, zeigte sich Reiner Delgado, vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband hocherfreut mit dem Projektergebnis.

Kontakt
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte direkt an
Prof. Julian Krüger
unter Telefon: 03841 753 73 93
oder per E-Mail: julian.krueger@hs-wismar.de


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